„So Tim, bei Minecraft, bist du da Noob oder bist du da Pro?“ – als Moderator und Redakteur des KiKA-Kindermedienmagazins Timster muss Tim Gailus auf solche Fragen seiner Fans gefasst sein. Und das ist er. Er kann mit ihnen fachsimpeln über Redstone-Schaltungen, auch so ein Minecraft-Ding, genauso aber über Musik, Filme und Bücher. Tim ist Botschafter der Stiftung Lesen, auf Instagram liest er seinen Followern schon mal eine Geschichte über Ada Lovelace vor. Das ist die Frau, die heute als die erste Programmiererin der Welt gilt.
Wir leben in einer aufregenden Zeit
In Sachen Buch ist Tim übrigens im Team Papier und Kugelschreiber. Spannende Stellen kringelt er beim Lesen immer ein. Zuletzt in Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“. Was neue Technologien und Erfindungen angeht, leben wir in einer ähnlich aufregenden Zeit wie Jules Verne damals, findet der 29-Jährige. Über diese aufregende Zeit sprechen wir mit ihm. Und über begnadete Kinder, digitales Glück und Astrid Lindgren als Videospielentwicklerin.
Tim, du moderierst das Kindermedienmagazin Timster. Worum geht es bei euch?
Bei Timster geht es um die große weite Welt der Medien. Das heißt, es geht um Bücher und um Videospiele, ums Fernsehen, ums Kino und natürlich ums Internet und das digitale Leben. Immer mit dem Blick hinter die Kulissen und mit ganz vielen Tipps zum Selbermachen. Also, wer gestaltet Medien und wie können wir selbst Medien gestalten.
Was ist dir persönlich dabei besonders wichtig, was möchtest du den Kindern vermitteln?
Mir geht es vor allem darum, dass Kinder Medien nicht einfach nur konsumieren, sondern aktiv mit ihnen werden und sie auch kritisch hinterfragen. Sie sollen einfach souverän mit Medien umgehen können. Deshalb finde ich es wichtig, dass ich bei Timster die Welt nicht nur erkläre, sondern sie gemeinsam mit den jungen Zuschauerinnen und Zuschauern entdecke. Es gibt so viele Sachen, die ich auch von ihnen lernen kann.
„Was steckt im PC?“, das war Thema in einer der letzten Timster-Sendungen. Mit dieser Folge hast du dir einen großen Wunsch erfüllt, oder?
Ja, ich habe mir meinen eigenen Computer zusammengebaut, und zwar jedes Einzelteil vom Prozessor bis zum Gehäuse. Ich wollte herausfinden, ob es wirklich so schwierig ist, einen PC aufzubauen. Und ich war überrascht: Einige Sachen waren sehr einfach, zum Beispiel die Grafikkarte oder auch den RAM-Arbeitsspeicher in den PC zu setzen. Andere Sachen wiederum waren unheimlich schwierig, wie die Kabel zu verlegen. Ich bin ein bisschen stolz, dass ich das geschafft habe. Und ich bin sehr glücklich darüber, wie viel Wissen ich durch dieses Herumtüfteln erlangt habe. Vor ungefähr drei, vier Wochen war das für mich noch ein Labyrinth. Heute ist es für mich eine Landkarte, die ich lesen kann.
So wie Kinder lernen sollten, sich sicher im Straßenverkehr zu bewegen, müssen sie sich auch sicher durchs Internet und die digitale Welt bewegen können.
Diesen Tüftler- und Entdeckergeist teilst du bei Timster auch mit den Kindern, probierst viele Dinge gemeinsam mit ihnen aus. Wie erlebst du die Kinder dabei?
Also, ich erlebe da Experten. Ich habe im Laufe der Dreharbeiten bei Timster ganz viele begnadete Kids kennengelernt, die tolle Sachen gestaltet haben und dabei über sich hinaus gewachsen sind. Kinder, die unglaublich gut mit Kameratechnik umgehen können. Kinder, die Malroboter programmieren oder ihre eigenen Computerspiele. Ich habe Jungs kennengelernt, die haben in Minecraft ihre Zukunftsstadt gebaut. Mit Windrädern, Solarmodulen auf den Dächern und ganz vielen Bäumen. Das zeigt mir einfach immer wieder, wie wichtig es ist, Medien zu gestalten und sich zu trauen, Projekte umzusetzen. Ich glaube auch, das macht nachhaltig glücklicher als nur stundenlang wieder eine Serie durchzugucken.
Wie wichtig findest du, dass sich Kinder und Jugendliche mündig und sicher in der digitalen Welt bewegen können?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kinder die digitale und die analoge Welt nicht so trennen, wie wir Erwachsene das manchmal tun. Das Internet und die digitale Welt sind fester Bestanteil ihres Lebens, fast schon wie die Luft zum Atmen. So wie Kinder lernen sollten, sich sicher im Straßenverkehr zu bewegen, müssen sie sich auch sicher durchs Internet und die die digitale Welt bewegen können. Das steht für mich gar nicht zur Debatte, das sollte eine Selbstverständlichkeit sein.
Als kleiner Junge habe ich mir immer gedacht: Wie abgefahren und verrückt wäre das denn, eines Tages mit Computern sprechen zu können.
Die Timster-Folge „Brickfilm” war für den Grimme-Preis 2018 nominiert, © KiKA.
Wenn wir an dieser Stelle für dich analog und digital nochmal ein bisschen auftrennen – als wie digital würdest du dich bezeichnen?
Ich bezeichne mich als sehr digital. Denn mein Radio, mein Kalender, meine Zeitung, meine Kamera, sogar meine Videoschnitt-Programme sind auf dem Smartphone. Das ist unglaublich, wie viele frühere Medien auf diesem Gerät vereint werden und wie sehr, Smartphones gerade auch die Medienwelt und die Welt, in der wir leben, durcheinanderwirbeln. Das ist der digitale Teil. Fachzeitschriften und Bücher hingegen stehen noch ausgedruckt auf Papier in meinem Bücherregal. Da bezeichne ich mich noch sehr gerne als altmodisch, da bin ich im Team Papier.
Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ steht auf deiner Bücherliste momentan ganz weit oben. Wie sieht es in der Kategorie Videospiele aus?
Ein aktuelles Lieblingsspiel von mir ist das Jump ‘n’ Run-Spiel Unravel. Darin spielt man ein Strickmännchen aus roter Wolle, Yarny. Mit Yarny hüpft man durch Schweden und sammelt die Erinnerungen einer alten Frau, der Besitzerin der roten Wolle, ein. Das ist so charmant gemacht, mit wundervoller Musik und toller Grafik. Ich glaube, hätte Astrid Lindgren Videospiele entwickelt, hätte sie Unravel gemacht.
Also, frech und wild und wunderbar. Wunderbar ist in der digitalen Medienwelt nicht alles. Wie gehst du mit Themen um, die für Kinder auch Ängste bergen können?
Ich glaube, es ist immer wichtig, einen konkreten Tipp für Kinder zu haben. Wir haben bei Timster zum Beispiel einmal darüber berichtet, dass Smartphones abgehört und Daten abgegriffen werden können. Wenn man aber nur das sagt, schürt man diffuse Ängste. Es geht gerade darum, nicht einfach ein Bedrohungsszenario zu entwickeln, sondern auch zu sagen, wie ich mich dagegen wehren oder davor schützen kann. Also, immer konkrete Tipps an die Hand geben.
Ich glaube, digitales Glück oder digitale Zufriedenheit lässt sich nur schwer messen.
Gibt es Entwicklungen, die du selbst kritisch siehst? Wo ist dir Digitalisierung weniger geheuer?
Ich habe den Eindruck, wir übersetzen unser Leben immer mehr in Zahlen und Messbares. Computer mögen das. Wir sollten uns aber nicht zu sehr vermessen lassen, sonst landen wir in einer endlosen Optimierungsschleife und dienen dem Algorithmus mehr als uns selbst und unserem Gemüt. Ich glaube, digitales Glück oder digitale Zufriedenheit lässt sich nur schwer messen. Wir sollten deshalb nicht jedem Trend hinterherlaufen. Und wir müssen lernen, unsere Aufmerksamkeit zu fokussieren. Manche Apps sind so gestaltet, dass sie dauernd blinken und blitzen und sagen: Jetzt habe ich noch eine Nachricht für dich! Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir unsere Konzentration nicht stets und ständig dadurch stören lassen.
Wie hälst du es damit in deinem Privatleben, gelingt dir die Fokussierung?
Sagen wir so: Das Schönste im letzten Urlaub war, dass mein Smartphone am ersten Tag kaputt gegangen ist. Es war schön und entspannend, einfach mal weg zu sein aus dem ewig fließenden Datenstrom und sich voll auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Das war unglaublich befreiend. Deswegen nochmal Danke an mein Smartphone, dass es pünktlich am ersten Urlaubstag kaputt gegangen ist. Das war fast wie ein Zeichen: Hey Tim, jetzt entspann dich!
Wenn du einen Blick in die Zukunft wagst, was wird da noch so alles auf uns zukommen?
Als kleiner Junge habe ich mir immer gedacht: Wie abgefahren und verrückt wäre das denn, eines Tages mit Computern sprechen zu können. Da habe ich gelacht und gesagt: Haha, das wird niemals passieren. Heutzutage sitzen Leute in der Küche und sagen so etwas wie: Alexa. Und da antwortet jemand. Das ist abgefahren! Und was die Zukunft angeht, denke ich an autonomes Fahren oder dass wir unsere Post von Drohnen geliefert bekommen. Das mag heute noch abwegig klingen, aber es nicht unmöglich.
Timster gibt es jeden Samstag um 17.45 Uhr bei KiKA, viele zusätzliche Videos und Folgen zum Nachschauen auf KiKA.de/Timster.